Forschende sind sich einig: Die Politik der nächsten fünf Jahre wird darüber entscheiden, ob der Klimawandel noch beherrschbar bleiben wird. Deutschland, als weltweit sechstgrößter Emittent von Treibhausgasen, spielt dabei eine Schlüsselrolle – national wie international. Deshalb ist diese Bundestagswahl für uns, unsere Kinder und Enkel so besonders wichtig.
„Wie stehen Sie zum Klimaschutz?“ Das wollten wir von allen acht Direktkandidaten des Landkreises München wissen, die Mitte Juli feststanden. Wir haben ihnen vier Fragen gestellt. Fünf Kandidaten haben sich an unserer Aktion beteiligt. Die Antworten finden Sie auf dieser Webseite in der Reihenfolge, wie wir sie erhalten haben. Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) hat alle Fragen in einem Text beantwortet. Die Kandidaten von AfD, FDP und Linken haben bis zum Redaktionsschluss nicht reagiert.
Die Kandidaten hatten für durchaus komplexe Fragen nur sehr begrenzt Platz zur Verfügung, deshalb haben wir allen Kandidaten angeboten, auch ausführliche Antworten zu schicken, die wir auf dieser Seite wiedergeben. Trotzdem ermöglichen Ihnen die kompakten Antworten einen guten Überblick, ob die Kandidaten den Klimaschutz ernst nehmen und konkrete, wirksame und zukunftsorientierte Maßnahmen vorschlagen.
Diese Aktion von Klimaneutral 2035 wird mit Unterstützung von Neubiberg for Future, der Agenda 21 Ottobrunn-Neubiberg und dem Solarverband Bayern e.V. durchgeführt.
Korbinian Rüger, SPD: Neben der Wirtschaft ist unsere gesamte Lebensweise ökologisch zu transformieren. Der Gesetzgeber muss den Ausbau erneuerbarer Energien fördern, den Ausstoß von CO2 verteuern, der Industrie klare Vorgaben machen und niedrigere Emissionsgrenzwerte beschließen. Bayern muss die 10H-Regel für Windräder abschaffen und die Kommunen entlasten.
Ausführliche Antwort: Zur Einhaltung – besser noch Unterschreitung – des 1,5-Grad-Ziels ist die ökologische Transformation, also die umwelt- und naturgerechte Umgestaltung nicht nur unserer Wirtschaft, sondern unserer gesamten Lebensweise nötig. Es reicht nicht, Appelle an die Bürger*innen zu richten, sondern der Gesetzgeber muss tätig werden. Auf Bundesebene möchte ich dafür sorgen, dass die nächste Regierung den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigt, den Preis für den Ausstoß von CO2 kräftig erhöht, der Industrie klare Vorgaben macht und die Grenzwerte für Emissionen senkt. Auf Landesebene ist die Abschaffung der bestehenden 10H-Regel für Windräder dringend notwendig – dann könnten auch in Bayern künftig viele Haushalte mit Strom aus Windkraft versorgt werden. Auf kommunaler Ebene geschieht derzeit viel, doch es ist oft eine Frage der Gemeindefinanzen, ob man sich beispielsweise die Übernahme der Bürgschaften für Geothermieprojekte leisten kann. Auch hier ist der Gesetzgeber mit neuen Regelungen gefragt.
Florian Hahn, CSU: Deutschland soll bis 2045 treibhausgasneutral sein, Bayern schon bis 2040 das erste klimaneutrale Bundesland werden. Damit leisten wir den deutschen Beitrag, um international den 1,5 Grad-Pfad zu beschreiten. Wir streben internationale Klimakooperationen an, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur zu begrenzen und die Pariser Klimaziele zu erreichen.
Gerhard Kißlinger, Freie Wähler: Als Bundestagskandidat der FW sehe ich die nächsten Jahre die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz als Meilensteine in der Politik.
Yannick Rouault, ÖDP: Braunkohleausstieg 2030; Entzug von CO2 aus der Atmosphäre (bspw. durch Terra Preta); Kerosinsteuer einführen, die prozentual höher ist als die Mineralölsteuer bei Benzin und Diesel; Produkte aus Erdöl (bspw. Plastik) wie Kraftstoff besteuern; Solarpflicht für öffentliche Gebäude; motorisierten Individualverkehr um die Hälfte reduzieren; …
Korbinian Rüger, SPD: Der Kohleausstieg muss vor 2038 erfolgen, der CO2-Preis je Tonne schneller steigen als geplant, die Stromsteuer für Verbraucher aber sinken. Die EU braucht einen einheitlichen CO2-Mindestpreis. Sachstandsberichte müssen zwingend Maßnahmen nach sich ziehen, falls Zwischenziele nicht erreicht wurden. Der Bahnausbau wird priorisiert.
Ausführliche Antwort: Erstens muss der Kohleausstieg beschleunigt werden und deutlich vor 2038 erfolgen. Zweitens muss der CO2-Preis pro Tonne viel schneller steigen, als das bisher vorgesehen ist. Ebenso wenig wie die aktuellen 25 € pro Tonne werden die für 2022 vorgesehenen 30 €/t eine Lenkungswirkung entfalten, dafür sind mindestens 100 € für die Tonne nötig. Im Gegenzug möchte ich, dass die Stromsteuer gesenkt wird. Und: Deutschland muss sich in der EU dafür einsetzen, dass möglichst schnell einheitliche europäische Mindestpreise beschlossen werden. CO2 macht nicht an Grenzen Halt! Wir müssen schnell handeln, deshalb halte ich halbjährliche Sachstandsberichte an die Regierung für notwendig, die zwingend Maßnahmen nach sich ziehen müssen, falls die anspruchsvoll definierten jährlichen Zwischenziele nicht erreicht wurden. Außerdem muss der Bund wesentlich mehr Geld in die Bahn stecken und jährlich zu überprüfende Ziele hinsichtlich Ausbau und Steigerung der Attraktivität vorgeben.
Florian Hahn, CSU: Das Urteil hat uns einen klaren Auftrag gegeben, aber nicht die Instrumente unserer Klimaschutzpolitik in Frage gestellt. Unser Dreiklang aus Anreizen, mehr Verbindlichkeit durch das Klimaschutzgesetz und einem Einstieg in die CO2-Bepreisung wirkt bereits und wird fortgesetzt. Durch einen Monitoring- und Nachsteuerungsmechanismus stellen wir sicher, dass diese Klimaziele auch erreicht werden.
Gerhard Kißlinger, Freie Wähler: Die Vorgaben des Gerichts sind einzuhalten und die erforderlichen politischen Entscheidungen sind jetzt zu treffen.
Yannick Rouault, ÖDP: Konkrete Maßnahmen sind bereits in der ersten Antwort beschrieben. Wichtig ist, dass die meisten Maßnahmen nicht sprunghaft erfolgen (Instabilität und Akzeptanzmangel wegen fehlender Planbarkeit), sondern mit schrittweisen Übergängen in festen Zeiträumen. Zur Kontrolle der Ausführung sollen auf Bundes- und Landesebene Bürgerräte eingesetzt werden.
Korbinian Rüger, SPD: Ich unterstütze alle zielführenden Aktivitäten im Wahlkreis, deshalb werde ich meinen Beitrag dafür zu leisten, die 29++ Klima.Energie.Initiative noch bekannter zu machen und stehe ich ihr mit Rat und Tat zur Seite. In Berlin werde ich diese lokale Initiative als beispielhaft zur Nachahmung empfehlen und Synergien sowie Vernetzungsinitiativen fördern.
Ausführliche Antwort: Als Bundestagskandidat für die Bürger*innen des Landkreises München ist es mir wichtig, alle zielführenden Aktivitäten im Wahlkreis zu unterstützen. Bestimmt kennt auch noch nicht die gesamte Kreisbevölkerung die ehrgeizigen Ziele, die sich der Landkreis gesetzt hat. Deshalb ist es mir zum einen wichtig, meinen Beitrag dafür zu leisten, die 29++ Klima.Energie.Initiative noch bekannter zu machen. Zum anderen stehe ich ihr jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Als Abgeordneter in Berlin werde ich diese positive lokale Initiative als beispielhaft zur Nachahmung empfehlen, Synergien fördern und Initiativen zur Vernetzung verschiedener Akteure unterstützen.
Florian Hahn, CSU: Als Kreisrat habe ich die Initiative mit vorangetrieben. In Berlin habe ich mich u.a. für die Wasserstoff-Modellregion “HyLand” sowie Verbesserungen beim EEG für den Geothermiestandort München-Land eingesetzt. Darüber hinaus beim Ausbau des ÖPNV, Radwegenetzes sowie der Ladesäuleninfrastruktur und jüngst für eine Potentialanalyse des Bundes zum Einsatz von PV-Anlagen an Autobahnen und Bundesstraßen.
Gerhard Kißlinger, Freie Wähler: Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind notwendige politische Aufgaben, die ich unterstütze.
Yannick Rouault, ÖDP: Als Politiker auf Bundesebene lässt sich eine lokale Initiative wie „29++“ nur unterstützen, indem durch oben beschriebene Maßnahmen und Gesetzesänderungen die Weichen für die Bundespolitik auch im Sinne der lokalen Initiative gestellt werden.
Korbinian Rüger, SPD: Jeder heute in Klimaschutz investierte Euro ist viel besser investiert als der, der zur Bewältigung verheerender Klimafolgen ausgegeben werden muss. Investitionen in Klimaverträglichkeit können Deutschland zum Weltmeister für Klimaschutztechnologien machen und sich sowohl für die Wirtschaft als auch für die ganz normalen Leute auszahlen.
Ausführliche Antwort: Jeder heute in Klimaschutz investierte Euro ist wesentlich besser investiert als der Euro, der künftig ausgegeben werden muss, um verheerende Klimafolgen zu bewältigen. National und international betrachtet, ist es eine soziale Frage, wer die größte Last versäumter Investitionen in Klimaverträglichkeit trägt. Da Investitionen stets zu Innovationen und steigender Wirtschaftsleistung führen, kann gerade ein Exportland wie Deutschland profitieren. Wir können uns als Weltmeister für Klimaschutztechnologien mit vielen neuen Arbeitsplätzen etablieren. Und wir sollten neue Modelle entwickeln, wenn es darum geht, die ganz normalen Leute von ständig steigenden Energiekosten zu entlasten. Denn Kleinverbraucher müssen entlastet werden, etwa bei der EEG-Umlage und der Stromsteuer. Nicht zu vergessen ist, dass die dezentrale Energieversorgung durch PV- oder Windkraftanlagen die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung bietet und jede*r sich so auch mit geringen Beträgen an der Transformation beteiligen und mittelfristig verdienen kann.
Florian Hahn, CSU: Klimaschutz können wir als Gesellschaft nur gemeinsam umsetzen. Deshalb setzen wir als CSU auf Maßnahmen, die alle mitnehmen und niemanden überfordern. Klimaschutz darf kein Elitenprojekt für Vermögende sein, denn dabei kommt es auf jeden an. Daher setzen wir im Gegenzug zur Belastung durch die CO2-Bepreisung auf Entlastung, etwa bei der EEG-Umlage und der Pendlerpauschale.
Gerhard Kißlinger, Freie Wähler: Die Kostenverteilung ist entsprechend der künftigen Verbesserung oder Verschlechterung zu verteilen. Wer beiträgt Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu leben, wird entsprechend unterstützt und entlastet.
Yannick Rouault, ÖDP: Da wir in der EU die Marktwirtschaft als Grundkonzept haben, müssen die Lasten über den Verbrauch an den Käufer/Nutzer weitergegeben werden, sonst wirken die Maßnahmen nicht. Aber es muss ein gleichgerichtetes Konzept zum sozialen Ausgleich geben (also keine erhöhte Pendlerpauschale, die motiviert zum Mehrverbrauch und zur vermehrten Mobilität), zum Beispiel eine Klimadividende.
Deutschland hat sich bereits um rund 1,6 Grad erwärmt. Wir müssen um jedes Zehntel Grad weniger Erwärmung kämpfen! Ich bin bereit, echten Klimaschutz umzusetzen.
Die GRÜNEN wollen in der Regierung sofort mit Gesetzen und Förderprogrammen loslegen. Was der Bundestag beschließt, gilt im ganzen Land, auch im Landkreis München und seinen Kommunen. Die lokale Klimapolitik wie „29++“ kann dadurch auf breiter Basis durchstarten.
Die GRÜNEN werden die Dynamik der Energiewende neu entfachen, mit jährlichen Ausbauzielen von 12 GW bei Photovoltaik und 6 GW bei Wind an Land. Auf zwei Prozent der Landesfläche drehen sich Windräder – verbindlich. Der Kohleausstieg kommt 2030. Industrie und Betriebe unterstützen wir auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die Wärmewende bringen wir mit KfW 40 bei Neubauten und KfW 55 bei Sanierungen voran und fördern das Heizen mit erneuerbarer Energie. Die Mobilitätswende verstärken wir mit massivem Ausbau von Bus und Bahn, Förderung von Rad- und Fußverkehr und ab 2030 Neuzulassung nur noch von emissionsfreien Fahrzeugen. Deutschland kann Milliarden-Investitionen stemmen. Es wäre unverantwortlich bei allem, was wir wissen, nicht in Klimaschutz zu investieren. Pack ma’s!